Zivilcourage. Mutige Bürger braucht das Land.
Über das Schicksal der 22jährigen Studentin Tugce aus Offenbach muss wohl nicht mehr viel geschrieben werden. Wohl aber über die Courage in einer Zivilgesellschaft wie der unseren. Gerade in einer Zeit, in der sowohl die gesellschaftliche als auch die individuelle Sicherheit tagtäglich gefährdet erscheint. Und über die Fragen, wo diese Zivilcourage beginnt? Warum sie jetzt so wichtig ist? Und was man als couragierter Bürger tun kann, will man sich für das Recht derer einsetzen, die sich nicht wehren können?
Was Zivilcourage bedeutet
Lt. Duden bedeutet Zivilcourage „Mut, den jemand beweist, indem er seine Meinung offen äußert und sie ohne Rücksicht auf eventuelle Folgen in der Öffentlichkeit, gegenüber Obrigkeiten, Vorgesetzten o. Ä. vertritt.“
Zivilcourage ist in diesem Sinne also immer eine Meinungsäußerung, eine individuelle Wahrheit die gesagt werden darf und soll, auch gegen die Interessen eines vermeintlich Stärkeren. Der Antrieb für diese Meinungsäußerung ist wohl zumeist ein ebenso individuelles Gefühl der Ungerechtigkeit. Wenn in dieser Wahrnehmung der Ungerechtigkeit das Mitgefühl gegenüber einem Dritten überwiegt und sich eben nicht auf das eigene Wohl und Wehe reduziert, dann sprechen wir von der heutigen Zivilcourage. Zivilcourage im Sinne des Falles Tugce, also im Sinne des Mitgefühls wird immer da notwendig, wo Schwächere verhöhnt, verspottet, drangsaliert oder gar angegriffen werden und sich selbst nicht ausreichend oder nicht mehr verteidigen können.
Mutige Bürger
Die Konflikte, die Zivilcourage erfordern, finden zumeist im öffentlichen, vermeintlich anonymisierten Raum statt. Hier braucht jede Zivilgesellschaft mutige Bürger, um Übergriffe dieser Art aus der Anonymität ans Licht zu bringen und um die zu schützen, die des Schutzes bedürftig sind. Kinder, Jugendliche, Frauen und Senioren.
Warum das gerade jetzt noch wichtiger wird? Allerorten sehen und hören wir von Konflikten, von Gewalt und Kriegen, von Natur- und Umweltkatastrophen. Nichts scheint mehr sicher zu sein. War unsere Gesellschaft in Deutschland über Jahrzehnte hinweg ein sicherer Hafen der Demokratie und Prosperität, scheint nun genau diese Sicherheit von vielen äußeren Faktoren bedroht zu sein. Die in den letzten Jahren stetig zunehmende Latenz an Unsicherheit in der Gesellschaft verändert auch das Verhalten jedes Einzelnen. Empathie, Rücksicht, Mitgefühl, Nachbarschaftshilfe verkommen zusehends zu leeren Worthülsen.
Und genau deswegen, geht es gerade jetzt darum, ein Stück weit Inne zu halten, die individuelle Unsicherheit auf Abstand zu halten, die Augen zu öffnen und einfach mal selbstlos dort oder dem zu helfen, wo oder wer Hilfe benötigt! Denn schließlich geht es in der Zivilcourage auch noch um einen weiteren, wesentlichen Aspekt, nämlich um die Werte einer Gesellschaft. Wo kommen wir hin, wenn sich keiner mehr um das Leid eines anderen kümmert? Wie können wir auf andere Länder, auf andere Gesellschaften, auf andere Religionen zeigen, wenn wir selbst nicht mehr bereit sind, die wichtigsten Werte unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft zu verteidigen? Auch und gerade für den Schwächeren.
Zivilcourage klar, aber wie?!
Was also kann der mutige Bürger tun? Zuallererst kann er hinsehen und nicht wegschauen! Eine bewußte Haltung führt zu einem bewußten Blick und dieser erkennt die Ungerechtigkeit. Es geht nicht darum, sein eigenes Leben zu gefährden, sondern es geht darum, dem Schwächeren zur Seite zu stehen. Und das ist wörtlich zu verstehen. Denn dort wo 2 gemeinsam gegen 1 Aggressor stehen, bleibt die Gewalt alleine. Der mutige Bürger sucht also die Überzahl in dem er auf die Situation aufmerksam macht und weitere Unterstützer findet. Der Ton macht die Musik und insofern führt das Wort zur Deeskalation. Dort wo nicht beschwichtigt werden kann, sollte auch keine Diskussion geführt werden. In diesem Fall ist so schnell wie möglich räumliche Distanz aufzubauen, um Aggressionen abzubauen. Wer ein Handy dabei hat, sollte schnellstmöglich die Polizei verständigen. Wie so oft liegt allerdings im Erkennen der Schlüssel zum Vermeiden. Daher ist das EVA-Prinzip (Erkennen. Vermeiden. Abwehren.) auch das Prinzip, nachdem die „Wehr Dich!“ – Workshops aufgebaut sind.
Mitgefühl, Hinschauen statt Wegschauen und Mut, das sind wohl die wesentlichen Eckpfeiler einer notwendigen Zivilcourage. Mutige Bürger braucht das Land. Mutige Bürger FFM.